Nein, ich bin wirklich keine, die immer schon nähen wollte und beim Anblick von Spitzen und Rüschen in Verzückung gerät. Ich bin die, die laut kreischend als Kind im Schuhladen stand und sich sehr klar weigerte, Ballerinas mit Glitzer und Paillettchen anzuziehen: „Ich will Turnschuuuuuuuuuuuheeeeeeeee!“.
So musste ich auch die dreißig gut überschreiten bis ich das erste Mal Kontakt mit der Nähmaschine aufnahm. Los gings für mich mit einem Kurs zum Nähen von Taschen aus LKW-Planen. Natürlich sind mir da die herrlichen, recyclten Freitagtaschen ein Vorbild. Ich wollte selbst eine Tasche aus alten LKW-Planen und Sicherheitsgurten nähen können. Entstanden ist so eine Yogatasche. Gut, ich gebe zu, bei diesem speziellen Modell war die Plane ein Rest einer neuen Plane. Natürlich entstand diese Tasche auch nicht gleich allein, sondern mit Hilfe der Kursleiterin Anita Pissinger in der VHS Straubing. Anita betreibt auch ein Nähcafé mit Namen Fräulein Zizibe, von denen es mittlerweile sehr viele in etwas größeren Städten gibt. Und auch Nähkurse sind sehr beliebt und überall zu machen. Z.B. auch einfach daheim, am Computer.
Durch den Anfangserfolg mit der Yogatasche ermutigt, ging ich dazu über, meine eigenen T-Shirts zu designen und zu nähen. Dafür brauchte ich vor allem ein gut sitzendes Shirt, dessen Abmessungen wir in einem weiteren Nähkurs auf Papier kopierten und dann als Schnittvorlage nahmen. So kann ich aus dem gleichen Schnitt immer wieder neue Shirts bauen. Stoffe hatte ich mir teils im Laden gekauft (wobei es hier auch Biobaumwolle gibt) und teils aus meinen alten Shirts oder vom Flohmarkt wiederverwendet. Was es schon in meinem Schrank gibt, richtet ökologisch erstmal weniger Schaden an als etwas, das neu hergestellt werden muss. Das scheint mir zumindest einigermaßen klar zu sein. Ergebnisse meines derartigen Upcyclings seht Ihr hier:
Die Kopfhörer auf den Monstern sind von einem Kindershirt ausgeschnitten, auf eine sogenannte Unterlage gebügelt, so dass sich die Applikation nicht zusammenrollt und dann mit einem Zickzackstick auf dem zuvor genähten T-Shirt befestigt. Arbeitsaufwand pro Shirt vom Stoff zum Endprodukt: geschätzt zwei Stunden.
Das Shirt mit den gegen den Strom schwimmenden Fischen ist aus einem ausgeleierten Shirt mit dem Aufdruck „Do what you love“ weiterverarbeitet worden.
Einer der Haupteffekte des Selbernähens für mich ist, dass ich weiß, wie es geht, ein Kleidungsstück selbst herzustellen. Das ist für mich schon mal eine Sache, die der Gedankenlosigkeit entgegen wirkt. Wenn ich mir jetzt ein Shirt kaufe (z.B. um es danach zu bedrucken), so ist mir klar, dass da jemand hat sitzen und das Shirt zusammennähen müssen. Nun ist das an sich keine allzu furchtbare Arbeit. Aber so wie die Dinge in Niedriglohnländern wie z.B. in Bangladesh in den Sweatshops laufen, verhält es sich schon ganz anders. Womöglich kracht den Menschen dort die Halle über dem Kopf zusammen.
Womöglich nimmt meine Näherei den armen Menschen in Bangladesh die Arbeit weg. Das ist ein Argument, gegen das ich kaum was sagen kann. Wenn wir alle anfangen zu nähen, haben die Menschen keine Jobs mehr, was womöglich noch schlechter ist als die jetzt üblichen 7,50 Euro am Tag zu verdienen. Ich fürchte, hier kann aber unser Konsum nicht angreifen, hier muss politisch agiert werden. Wie das zu bewerkstelligen ist, braucht aber noch viele andere Beiträge und würde meinen Rahmen eindeutig sprengen. Zudem ist das keine Frage der Ökologie, sondern eher eine Frage des Sozialen.
Ein weiterer Punkt für mein Nähen: So kann ich natürlich meine Shirts so länger tragen, reparieren, ändern, neu zusammenbauen.
Oder ich kann etwas ganz anderes aus meinen alten Klamotten bauen. So ist aus alten Hosen, einer alten Plane und einem Kopfkissenbezug und einem Stück Fahrradschlauch zur Bodenverstärkung auch eine Tasche entstanden:
Wichtig ist hier natürlich der Mut, etwas zu tragen, das man selbst gemacht hat und das nicht von der Stange kommt. Natürlich ist mir klar, dass ich sowieso weniger Probleme habe, unkonventionell auszusehen. Aber es gibt auch jede Menge Anregungen, wie man Dinge selbst nähen kann, von denen niemand glaubt, dass man sie selbst genäht hat. Wem das wichtig ist, der hat jede Menge Möglichkeiten und ein bisschen Internetrecherche führt auch zu Schnitten, die zu ganz klassischen Kleidungsstücken und Accessoires führen.
Wie bei so vielem, ist es auch bei der Kleidung alles andere als einfach zu sagen, was denn nun wirklich gut ist. Man muss sich fragen: Gut für wen oder was? Schädigt man die Umwelt, nutzt man vielleicht einigen Menschen. Nutzt man einigen Menschen, schadet man anderen.
Mehr Bewusstsein für das zu entwickeln, was wir tun, ist vermutlich der erste und ein ganz wichtiger Schritt. Und wenn man auch nicht das Optimum trifft oder es vielleicht nicht gleich trifft, so kann man doch vieles ein klein wenig besser machen. Schon die kleinen Schritte sind oft so schwierig. Aber wenn viele kleine Schritte in eine gute Richtung machen, stehen die Chancen doch nicht schlecht, dass so manches besser wird.
Jedenfalls konsumiere ich jetzt bewusster. Wenn ich mir etwas kaufe, gucke ich erst, ob ich es selbst machen kann, was ich gebraucht kriegen und was ich gegebenenfalls in irgendeiner Weise weiter verwerten kann. Wieder mal ein kleiner Schritt.
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