Stotternd und ein wenig zerlumpt kommt Tom Birkin auf dem englischen Land an, genauer im Örtchen Oxgodby. Der erste Weltkrieg ist gerade vorbei und hat ihm ein Zucken im Gesicht und seinen Sprachfehler hinterlassen. Hier soll er in der Dorfkirche ein Gemälde freilegen. Während seiner Arbeit findet er zurück zum Leben und kann ein wenig heilen.

Die Geschichte Tom Birkins erzählt Carr aus der Ich-Perspektive fünfzig Jahre nach dem „Monat auf dem Land“ des Titels. Ein Idyll könnte so entstehen, eine harmlose kleine Erinnerung an jüngere, glückliche Tage. Doch da ist weit mehr. Birkins Zeit im Krieg war hart und er ist nur knapp mit dem Leben davon gekommen. Auch seine Ehe war ein Reinfall, da macht er sich keine Illusionen. Für ihn ist bei weitem nicht alles nur heiterer Sonnenschein.

Liebevolle Personenporträts der Dorfcharaktere

Die Personen in Oxgodby und der direkten Umgebung werden fein gezeichnet. Jeder wird liebevoll bedacht- mit Ausnahme eines herablassenden Harmoniumverkäufers, der nur nach Geld zu lechzen scheint. Dem allerdings werden seine Grenzen in einer lustigen Szene unkommentiert aufgezeigt. Carr führt uns nahe an seine Figuren heran, zeigt uns die entbehrungsreiche, aber nicht hoffnungslose Zeit. Birkin wird aufgenommen wie er eben ist, mit seinem zerrissenen Mantel und seinem Sprachfehler.

Vieles in der Erzählung spielt sich in Andeutungen ab, Hoffnungen, Sehnsüchte und Träume werden nicht ausbuchstabiert oder gar ausgelebt. Eine Liebe bleibt unerfüllt, wird aber vielleicht gerade dadurch unvergesslich.

Besonders schmunzeln musste ich über den missmutigen Pfarrer der kleinen Kirche, der sich über den dortigen Ofen beschwert. Russ soll er über die gläubigen Betenden ausgespuckt haben, eigensinnig soll er sein ganz. Ganz wie ein griesgrämiger Mensch. Dieser findet sich aber vielmehr in dem Prediger selbst als im Ofen.

Film (mit Colin Firth, Schacht!) und Audiobuch

Übrigens wurde „A Month in the Country“ mit Kenneth Branagh und Colin Firth 1987 verfilmt und ist der erste größere Auftritt der beiden wunderbaren Schauspieler. Ich habe das Büchlein teils auf Englisch gelesen und es mir teils von Heiko Ruprecht vorlesen lassen. Ruprecht spricht unaufgeregt und es war mir ein Leichtes, ihm in meinem Garten zuzuhören.

Dumont, 10 Euro