Ella, eine Hausfrau und Mutter unserer Zeit, die immer mehr die Distanz zu ihrem fremdgehenden Ehemann spürt, bekommt den Auftrag einen Roman mit dem Titel „Süße Blasphemie“ für eine Literaturagentur zu begutachten. Im Laufe der Lektüre tritt sie in Kontakt mit dem Autor des Buchs und erzählt ihm von sich und ihren Sorgen. „ Süße Blasphemie“ befasst sich mit der Zeit des Mystiker Rumi und einigen anderen Personen des dreizehnten Jahrhunderts, die sich um ihn scharen- von Prostituierten bis zu Derwischen. Auf dieser Ebene erfährt man einiges über den Sufismus und bekommt einen sanftmütigen Islam präsentiert, der eine Alternative zu heute oft sehr kritisch betrachteten Aspekten eines radikal ausgelegten Islam bieten kann.
Das Buch liest sich flüssig, allerdings fehlt es den Figuren an Farbe. Ella ist das Klischee einer unausgefüllten Hausfrau, die Figuren des Romans im Roman wirken ununterscheidbar blass, was auch an der einheitlichen Sprache aller liegen mag- erstaunlich, schließlich hat man es mal mit dem einundzwanzigsten und dann mit dem dreizehnten Jahrhundert zu tun. Auch die vierzig Geheimnisse der Liebe sind manchmal erhellende Überlegungen, meist eher uns bekannte Allgemeinplätze. „Wenn Gott alle Menschen gleich gewollt hätte, hätte er sie so erschaffen“, heißt es auf Seite 206 oder „Wenn du willst, dass andere dich anders behandeln, musst du zuerst dich selbst anders behandeln“, auf Seite 199. Auch ist mir nicht klar geworden, warum Ella auf einmal Gutachterin wird- es hätte für die Geschichte vollkommen gereicht und sie sogar plausibler gemacht, Shafak hätte sie als Leserin eingeführt, die mit dem Autor in Kontakt tritt.
Das Buch verkauft sich offenbar nicht nur in der Türkei, sondern auch in Deutschland sehr gut und bot meinem Literaturkreis anregenden Diskussionsstoff – schließlich werden persönliche, historische und spirituelle Themen behandelt. Das allerdings kommt etwas locker und oberflächlich daher. Mir scheint es, als wäre das Werk von einer erfahrenen Autorin auf Erfolg gestrickt: In Ella können sich vermutlich einige Frauen wiederfinden, in den historischen Figuren dann auch solche Leser, die sich nicht nur unterhalten lassen, sondern auch weiterbilden möchten. Aber all das wirkte für mich eher gewollt als wirklich aus den Figuren heraus erzählt. Ein Buch, das mich nicht schrecklich aufgeregt, das mich aber auch nicht stark berührt oder fasziniert hat.
Elif Shafak ist eine zeitgenössische Autorin, die mittlerweile in London lebt. Sie ist Tochter türkischer Eltern und hat in Ankara in Politikwissenschaft promoviert.
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