Wir befinden uns in einem Dorf an der tschechisch-polnischen Grenze. Hier lebt Janina Duszejko: eine kauzige ältere Frau, die zuvor als Ingenieurin Brücken gebaut hat. Jetzt lebt sie allein in einem Dorf recht abseits von der Gesellschaft und kümmert sich dort ein wenig um die dortigen Ferienhäuser. Sie verehrt William Blake und übersetzt mit einem ihrer wenigen Freunde seine Gedichte und sie beschäftigt sich mit astrologischen Studien. Als drei Morde in der Gegend, dem sogenannten Glatzer Kessel, passieren, steht die Ich-Erzählerin sofort mit einer Theorie bereit und scheint der Polizei damit immer etwas voraus: Die Tiere rächen sich an den Menschen, weil sie gequält und nicht mit Respekt behandelt wurden.

Das Buch der Nobelpreisträgerin ist so vieles: Krimi, Gesellschaftskritik, Satire. Ich habe es mir als ungekürzter Text von Angelika Thomas als Hörbuch vorlesen lassen. Eine sehr gute Wahl: Thomas gibt Duszejko eine wunderbare Stimme, stellt sie nicht bloß, sondern zeigt ihre Kantigkeit und einen gewissen eigentümlichen Scharfsinn. Auch die Landschaft mit Schnee und Wind, die raue Natur, die dort zu herrschen scheint, ist durch die Lesung besonders lebendig geworden.

Der Roman blieb für mich immer spannend, auch als ich einen Verdacht hatte, wie die Toten ums Leben gekommen waren. Es ist nicht leicht, die Erzählerin einzuordnen. Einerseits fällt es leicht, ihren Gedankengängen zu folgen und ihr zuzustimmen. Unser Umgang mit Tieren ist oft bestialisch, auch Menschen, deren Überzeugungen wir nicht teilen werden schnell ins Abseits gestellt und auch von offizieller Seite nicht ernst genommen. Dann aber wiederum sind da Dinge wie die Astrologie, die vermutlich so mancher Leser als Erklärungsmodell nicht für voll wird nehmen können. Diese Mischung aus rationalen und anderen Überzeugungen macht die Hauptfigur aber gerade so interessant. Sie ist eine unzuverlässige, aber wortgewandte Erzählerin und eine faszinierende Person, die leicht durch den Roman trägt.

Janina Duszejko verkörpert eine Auffassung, die den Tieren ebenso viel Wert beimisst wie den Menschen und ist somit so etwas wie eine immerhin im Roman lebendig gewordene Verfechterin der Theorie des Philosophen Peter Singer.

Sprachlich ist alles klar und knapp gehalten, ein Buch, dem man -anders als vielen Gegenwartsromanen- keine weitere Kürzung wünscht. Sehr wohl aber viele Leser. Ohne den Nobelpreis für Olga Tokarczuk, die übrigens neben Andrej Stasiuk als bekannteste Autorin Polens gilt, wäre ich vermutlich nie darauf gestossen.