Turtle, eine Vierzehnjährige, wächst bei ihrem Vater im Wald auf. Statt mit dem Handy oder Gleichaltrigen zu spielen, reinigt sie Waffen, lernt alles über die sie umgebende Natur und muss es vor allem allein mit ihrem gewalttätigen Vater aushalten nachdem ihre Mutter früh gestorben ist. „So sollte ein Mädchen nicht aufwachsen“, sagt da der hie und da anwesende Großvater, womit er natürlich recht hat. Eben diese Gewalt, die wie in einem Film vor dem Auge des Leser beschrieben wird, macht das Buch für mich oft schwer auszuhalten. Trotzdem ist die Faszination für dieses unglaublich starke Mädchen so groß, dass ich den Roman nicht zur Seite legen konnte. Ich hab wirklich durchgehechelt, zum Teil quergelesen: Was passiert jetzt?
Faszinierend ist die Abhängigkeit Turtles von ihrem Vater Martin, der ihr immer wieder sagt, dass sie ihm gehört. Er liebt sie, was er auch immer wieder sagt und wirkt manchmal wie ein lebenskluger Vater, dann aber wieder unglaublich brutal. Diese beiden Pole machen es Turtle schier unmöglich, sich von ihm zu distanzieren- gedanklich als auch tatsächlich indem sie weggeht. Auch wenn ihr im Verlauf der Geschichte immer klarer wird, dass sie genau das wird tun müssen, um zu überleben.
Turtle spricht immer wieder selbst als „Fotze“ von sich, treibt sich an, scheint ausschließlich als die Version der hasserfüllten Worten des Vaters zu bestehen. Als ein gleichaltriger Junge, Jacob, in ihr Leben tritt, wird der Vater hellhörig, droht noch mehr und fürchtet um den Verlust der einzigen und Turtle wird klar, dass sie einen Weg finden muss, ihm zu entkommen.
Nun kenne ich mich nicht gut mit Missbrauch aus, habe aber den Verdacht, dass Tallent sehr gut die Mechanismen von Abhängigkeit, teils Scham, von Liebe und Hass in solchen Beziehungen gerade zwischen Kindern und ihren Eltern verstanden hat und sehr plastisch beschreibt.
Ich vermute, dass man dieses Buch entweder gebannt verschlingt oder nicht ertragen kann. Ich hätte mir manchmal etwas weniger Handlung und etwas mehr Reflexion, ein paar eingewobene Gedanken mehr gewünscht. Also etwas weniger Film und etwas mehr Buch. Aber wer weiß- womöglich hätte das das Buch zu sehr verlangsamt. Trotzdem wird mir die Geschichte von Turtle sicher noch lange lebendig in Erinnerung bleiben. Ich denke, die Verfilmung wird nicht lange auf sich warten lassen. Ob sie dem Buch interessante, neue Aspekte aber wird hinzufügen können, ist fraglich.
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