Andrea Potzlers Vor-Allem-Bücher-Seite

„Warten auf den Doktor“ von Beck

Wenn ich durch die Stadt bummle, zieht es mich immer zu Postkarten. Und sehr, sehr oft guck ich mir dann die von BECK an und muss noch jedes Mal lachen. Umso größer der Spaß natürlich bei einem ganzen Buch. „Warten auf den Doktor“ versammelt Cartoons rund ums Gesund- und Kranksein.

Wer selbst zeichnet, weiß, wie schwierig es ist, einen fast schon kindlich wirkenden Stil zu entwickeln, der soviel Ausdruckskraft hat wie der von BECK. Jede seiner Figuren ist ein krakeliger, sehr besonderer Charakter. Die Figuren reißen ihre Münder auf und tun noch fast jedes Mal Saukomisches kund: „Also wenn der Federbettenladen jetzt ‚Dauntown‘ heißt, nenne ich meine Zahnpraxis ‚Bohr island'“. So der Zahnarzt mit seiner Zahnarztgattin beim Spaziergang vorbei an selbigem Bettenladen. Vielen Figuren steht Wut und Missmut mit minimalistischen Linien ins Gesicht geschrieben und was locker aussieht, zeigt echte Zeichenkönnerschaft.

Natürlich ist das manchmal makaber, manchmal gehen die Figuren ganz, ganz schräge Wege und lachen fröhlich-naiv dabei. Wenn im OP in eine Leiche gefasst wird mit dem Kommentar „Mist, Leute, unser Organspender ist leer“, dann finde ich das irre komisch. Aber mir ist schon klar, dass da andere Leute andere Empfindlichkeiten haben.

Ich lebe ja sehr häufig nach dem Motto „Ein guter Witz muss gemacht werden“. Hier werden jede Menge richtig schonungslos gute Witze gemacht. Und ich bin froh, wenn sich Kunst rausnimmt, nicht nur brav und fröhlich, sondern auch tiefschwarz zu sein.

Es gibt natürlich auch viele andere, harmlosere Sachen wie die Person, die mit dem Kommentar aus der Apotheke kommt „Schon weil ich keine Haare habe, wollte ich keine Haarkur…aber das Verkaufsgespräch war so nett!“ Dinge (absichtlich) falsch verstehen, jeden und alles ein bisschen hochnehmen, das kann BECK eben.

Schön ist auch das Zusammenspiel zwischen Bild und Text. Versteht man oft den Witz nur nach genauer Inspektion des Bildes, so ist manchmal das Bild nur als Atmosphäre da. Ohne die aufgestapelten Gallensteine würde man den OP-Arzt nicht verstehen, der sagt: „Urplötzliche Urlaubsgefühle während der Gallenstein-OP: Ostsee, oh ja!!“. Dagegen erklärt sich „Ich könnte auf Arbeit anrufen und mich heute tot melden.“ auch ohne den Mann im Bild, der sich gerade aus dem Bett quält.

Der Band jedenfalls ist einer, den ich gern Freunden zeige- wir haben schon viel gemeinsam gelacht. Egal, ob die Zeiten gerade trübe sind, man selbst gesund oder krank.

Mabuse-Verlag, 19,95 Euro

4 Kommentare

  1. Beck

    Mensch, Andrea, wenn ich dieses Buch nicht selber gezeichnet hätte, nach dieser Rezension würde ich’s mir sofort holen. Großes Dankeschön! x

    • Andrea

      Vielen Dank für die Blümekes, lieber BECK!

      • Susanne Preiß

        Hoops, das Buch muss ich wohl noch ganz fix bestellen, bevor es ausverkauft ist. Das Bild mit den Gallensteinen schwebt mir doch glattweg leibhaftig vor den Augen nach dieser perfekten naturalistischen Beschreibung, ach und dann ist da ja diese wunderbar unterkühlte Atmosphäre im OP (träume, träume narkotisch beseelt), aber glücklicherweise gibt es dann die Beckschen Ärzte mit solchen Sprüchen auf den zart aber hart gezeichneten Cartoonlippen.
        Mit den allerbesten Wünschen für entspannten Feiertage und ein gesundes 2021 , Susanne (Susi)

        • Andrea

          Vielen Dank für den netten Kommentar! Dir auch eine gute Zeit, Susi

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